Ruth Schweikert 1965–2023

Silvia Ferrari in Blaue Stunde / 07. June 2023
Ruth Schweikert 1965–2023
Ich habe Ruth Schweikert an einem Wochenende im frühen Winter 1991 am »Schriftwechsel« in Olten kennengelernt, wo sie im Rahmen eines offenen Leseblocks zum ersten Mal vor Publikum las. Soeben hatte ich meine Tätigkeit beim Rotpunktverlag als freie Mitarbeiterin und Lektorin für Belletristik aufgenommen und war auf der Suche nach jungen Autorinnen für unseren Verlag. Die kurze Lesung von Ruth Schweikert aus einer noch nicht vollendeten Erzählung riss mich mit – der Sound ihrer Sätze, das Schwingen des Textes durch die Zeitebenen, der unsentimentale, distanzierte Tonfall, eine Frauenfigur in kleinbürgerlicher Enge, die selbstbewusst und unkonventionell agiert. Ich war überzeugt, hier Einblick ins Schaffen einer angehenden Schriftstellerin erhalten zu haben. Sie wollte ich für eine Publikation in unserem Verlag gewinnen! 
Es war der Beginn einer wundervollen Zusammenarbeit, in der ich Ruth Schweikert als Lektorin ihrer Texte begleiten durfte und sie mir zu einer liebevollen und einfühlsamen Freundin wurde.
Zu Port Bou, der Erzählung, aus welcher sie an jenem Dezembersonntag in Olten gelesen hatte, kamen sechs weitere hinzu, die 1994 im Erzählband Erdnüsse. Totschlagen im Rotpunktverlag erschienen. 
Einmal, vor der Veröffentlichung des Buchs, haben wir über das Zitat aus Shakespeares Sturm, das sie dem Erzählband auf Englisch als Motto vorangestellt hat, gesprochen: »We are such stuff as dreams are made on; and our little life is rounded with a sleep«. Sie hat das Buch mit diesen Worten einem nahen Freund, der schwer an Aids erkrankt war, gewidmet. Nun ist Ruth Schweikert in diesen großen Schlaf gesunken. Ich bin erschüttert und traurig.
 
Silvia Ferrari, ehemalige Mitarbeiterin und Lektorin des Rotpunktverlags
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