»So wie das System in der vergangenen Handelsperiode ausgestaltet war, ist das EHS viel eher eine millionenschwere Subventionierungsmaschine für emissionsstarke Unternehmen als ein griffiges Instrument zur Reduktion von Treibhausgasen.«
Dieser Titel ist auch als E-Book erhältlich
Das Schweizer Emissionshandelssystem und wer davon profitiert
Die Europäische Union und die Schweiz setzen im Kampf gegen die Klimakrise auf das Emissionshandelssystem (EHS). Es ist eines der wichtigsten politischen Klimaschutzinstrumente und gilt vorwiegend für große Industrieanlagen mit hohen Emissionen wie Zementwerke, Raffinerien, Papierfabriken, Aluminium- und Stahlkonzerne oder Chemieunternehmen. Diese müssen für jede ausgestoßene Tonne Treibhausgas ein entsprechendes Emissionsrecht vorweisen. Bei fehlenden oder überschüssigen Emissionsrechten kann untereinander oder über die Börse gehandelt werden, was Anreiz für Emissionsverminderung bietet. In der Schweiz sind EHS-Unternehmen dafür von der CO2-Abgabe befreit.
Alex Tiefenbacher und Luca Mondgenast haben erstmals umfassend untersucht, was die Teilnahme am Schweizer EHS für die einzelnen Firmen bedeutet. Sie zeigen: Von 2013 bis 2020 bezahlten die größten Umweltverschmutzer über das EHS mit 92 Millionen Franken nur einen Bruchteil ihrer Klimakosten. Die meisten Emissionsrechte bekamen sie geschenkt. Einige Firmen erhielten mehr Gratisrechte, als sie für ihre Treibhausgasemissionen benötigten, und könnten diese gewinnbringend verkaufen. Müssten sie wie die Schweizer Haushalte und KMUs für all ihre Emissionen die normale CO2-Abgabe bezahlen, hätte sie das 2,9 Milliarden Franken gekostet. Die Reduktion der Treibhausgasemissionen war vergleichsweise gering, und es wurden wenig wirklich transformative Klimainvestitionen getätigt.
Geplante Reformen der EU sollen das EHS aus der Geiselhaft der globalisierten Industrie befreien und eine tatsächliche Dekarbonisierung einleiten. Ob dies gelingt und ob die Schweiz mitzieht, wird sich erst noch zeigen müssen.
Luca Mondgenast, 1995 in Chur geboren, arbeitet als Grafiker und IT-Fachmann für das Online-magazin das Lamm in Zürich und ist Verleger und Redaktor des Comicmagazins Die Notbremse in Luzern. Dabei verdient er sich als freischaffender Grafiker und Fahrradkurier das dazu, was in der Kulturbranche und im freien Journalismus an Einnahmen fehlt.
Alex Tiefenbacher, 1982 in Zürich geboren, hat einen Master in Umweltnaturwissenschaften und einen in Philosophie, beide von der ETH Zürich. Seit 2009 schreibt sie für das Schweizer Onlinemagazin das Lamm. Ihr Schwerpunkt ist das Klima. Sie wurde schon mehrfach ausgezeichnet, etwa für Die Flugbranche bauscht sich auf! 2021 mit dem Quandt-Medien-Preis und 2022 für ihre Recherchen zum Emissionshandelssystem mit dem Hofschneider Recherchepreis. Um sich finanzieren zu können, arbeitet sie außerdem als Waldlehrerin.