In der Schweiz tobt ein Kulturkampf: Mythen gegen Geschichte. Drei Schriftsteller und die reale Schweiz.
Das Fähnlein der sieben Aufrechten von Gottfried Keller gelesen von Urs Widmer wiedergelesen von Guy Krneta
1847 gelang in der Schweiz mit dem militärischen Sieg über die konservativen Kantone die Errichtung einer radikalen demokratischen Republik auf Bundesebene. Sie wurde in der Bundesverfassung von 1848 festgeschrieben. Gottfried Kellers Novelle Das Fähnlein der sieben Aufrechten (1860) beschwört in heiterer Weise und mit einigem warnenden Donnergrollen diese Gründerzeit herauf.
Urs Widmer hat 1989 das Fähnlein neu herausgegeben und mit einem einführenden Essay versehen, der die Novelle als Übergangswerk interpretiert, das »rittlings zwischen den Zeiten sitzt«. In dem kleinen Zeitsprung keimt die »schmerzende Erkenntnis, dass diese herrliche Demokratie eine dem geldgierigsten Kapitalismus besonders günstige Staatsform war«. Widmer schreibt von seinem Heute aus.
Im heutigen Heute sieht alles noch einmal anders aus. Der Liberalismus ist zur zynischen Fiktion verkommen. Guy Krneta beschreibt in seiner Erzählung die Geschichte des Schweizerischen Republikaners, des Kampfblatts der radikalen Liberalen jener Zeit, das in Kellers Novelle namentlich vom Schneidermeister Hediger in Ehren gehalten wird. In Krnetas Erzählung Schneidermeister Hedigers Erben ist die Zeit der Kerle mit den vielen Millionen definitiv angebrochen und, man ahnt es: sie besitzen politische Herrschsucht und treiben Unfug.
Das Buch ist eine literarische Schweizer Geschichte in drei Stücken aus drei Jahrhunderten – kämpferisch und melancholisch, am Horizont das Bild einer besseren Schweiz.
Gottfried Keller, 1819–1890. »Als Keller geboren wurde, war Goethe noch schwer in Form und beobachtete in Jena Planeten, und als er starb, krähte Hitler schon in seiner Wiege.« (Urs Widmer)
Guy Krneta, geboren 1964, lebt als freischaffender Autor in Basel. Zuletzt veröffentlichte er den Spoken-Word-Roman Unger üs (2014).