Nirgendwo zeigt sich so deutlich wie in der Kultur, dass keine fortschrittliche Position gegen deren globale Dimension anrennen kann.
Marktmacht gegen Vielfalt
»Globale kulturelle Vielfalt« war so lange selbstverständlich, wie sich nur eine Weltminderheit dafür interessierte. Seitdem sie thematisiert wird, ist sie in Gefahr.
Von der Kultur zur Kommunikation, vom Volk zur »Öffentlichkeit«, vom Bürger zum Konsumenten: In den vergangenen 200 Jahren ging es immer um die Spannungen zwischen dem im Zeichen des Freihandels stehenden Projekt der »universellen Warenrepublik« und dem Universalitätsanspruch der von der Aufklärung verkündeten Werte, zwischen Bildungsbürgerkultur und Alltagskultur, zwischen dem Ethnozentrismus des Kulturkolonialismus und den Kämpfen um die Bewahrung der eigenen Identität, zwischen dem geschlossenen Raum des Nationalen und den grenzüberschreitenden Tendenzen usw. Heute besteht eine Frontstellung zwischen zwei unterschiedlichen Kulturauffassungen: hier eine auf dem global democratic marketplace angebotene »Dienstleistung«, dort ein »öffentliches Gemeingut«, ohne das das Wort »Demokratie« keinen wirklichen Sinn hätte.
Innerhalb eines Globalisierungsprojekts, in dem der Markt allein den Takt vorgibt, wird »globale kulturelle Vielfalt« immer mehr zur Leerformel. Anderseits zeigt sich nirgendwo so deutlich wie in der Kultur, dass keine fortschrittliche Position gegen deren globale Dimension anrennen kann. Die Frage stellt sich auch hier: Welche Art von Globalisierung wollen wir?
Armand Mattelart, 1936 in Belgien geboren, ist Professor für Kommunikations- und Informationswissenschaften an der Universität Paris VIII. Er lehrte an zahlreichen Universitäten, insbesondere in Lateinamerika, und arbeitete u.a. für die sozialistischen Regierungen in Chile und Mosambik und für die UNESCO. Er zählt seit den 1970er-Jahren zu den international bekanntesten Kommunikationswissenschaftlern Frankreichs. Zuletzt auf Deutsch: Kleine Geschichte der Informationsgesellschaft (Berlin 2003).