1971: Schweizer Männer sagen Ja zum Frauenstimmrecht. 50 Jahre ist das her. Einige von uns – die über 70-Jährigen … – können sich noch an den Urnengang ihrer Väter, Brüder, Ehemänner erinnern. Vielleicht auch an die Kampagnen davor – pro und contra!
Viel wurde geschrieben, gewitzelt, geweibelt, gemotzt. In den Sälis der Dorfbeizen und auf der Strasse waren es mehrheitlich die Frauen, aber in den Zeitungen und Parlamenten waren es hauptsächlich die Männer, die sich zu Wort meldeten. Ist ja klar, denn es war ja noch so richtig «a man’s, man’s, man’s world» (wie James Brown damals selbstkritisch sang).
Und jetzt? Soll man jubilieren, sich daran erinnern, oder besser verschämt schweigen, weil es so lange gedauert hat, bis endlich auch die Schweizerinnen das Stimmrecht erhielten? Wir – zwei befreundete Berner Journalistinnen, bald mal 70… – fanden: dieses Ereignis muss auf jeden Fall irgendwie schreibend markiert werden. Es braucht einen «point de réflexion». Frauen, die sich erinnern und/oder sich seither in diesem Land schreibend einbringen, sollen sich in einem Buch Gedanken machen. Denn, das wird heute fast vergessen: In den letzten 50 Jahren sind in diesem Land nicht nur viele namhafte Politikerinnen herangewachsen. Vor allem gibt es jetzt auch auch eine ganze Reihe von klugen, wortgewandten Journalistinnen, Kolumnistinnen, Autorinnen und Wissenschaftlerinnen, die sich regelmässig pointiert zu Wort melden und schreiben, was sie als Berufsfrauen, Familienfrauen, Wissenschaftlerinnen – ärgert, freut, aufregt, motiviert und antreibt.
Das war die Uridee zu unserem Buch. Nun liegt «Gruss aus der Küche – Texte zum Frauenstimmrecht» vor. Und wir sind überglücklich damit. Weil es so bunt, vielfältig, witzig, ernsthaft, kämpferisch geworden ist. 31 Texte, in denen Historikerinnen an kämpfende Pionierinnen erinnern, in denen Feministinnen fordern, junge Journalistinnen ihre Mütter und Grossmütter nach der Zeit vor 71 befragen, Schriftstellerinnen Frauenfiguren entwerfen, sie literarisch zur Emanzipation treiben, eine Slam-Poetin der patriarchalen Gesellschaft den Spiegel vorhält usw.
Es hat sich bewährt, dass wir den Autorinnen völlig freie Hand liessen. Sie haben – wie es von Profis nicht anders zu erwarten ist – 30 völlig eigenständige Texte geschrieben, und diese termingerecht und in angesagter Länge abgeliefert. Ebenso spannend war die Arbeit mit dem Rotpunktverlag. Die Produktion lag auch dort zu 100 Prozent in Frauenhand. Wir haben uns ergänzt, um Titel gerungen, Lektoratskorrekturen hin- und hergemailt und zum Schluss in Nacht- und Nebelaktionen Klappentexte verfasst.
Es war spannend und lehrreich. Und last but not least haben uns die Illustrationen der jungen Berner Grafikerin Nora Ryser begeistert. Sie stiess erst in der Schlussphase dazu. Aber die engagierte Feministin hat sich so freudig reingekniet in ihre Aufgabe, hat Geschriebenes visualisiert, Ideen eingebracht und eine Arbeit abgeliefert, die das Buch so richtig rund macht.
2020: Die Publikation erscheint. Es ist eine unter anderen. Und ja, wir geben’s gerne zu: wir sind stolz auf «unser Buch». Jetzt ist es auf dem Markt, wird angeschaut, gekauft, verschenkt, beurteilt, kritisiert… Wir freuen uns darauf. Zusammen mit allen, die in den letzten Monaten daran gearbeitet haben.
Rita Jost, Heidi Kronenberg, die Herausgeberinnen, zusammen mit den Autorinnen Nicole Althaus, Fabienne Amlinger, Patti Basler, Silvia Binggeli, Susan Boos, Irena Brežná, Elisabeth Bronfen, Regula Bührer Fecker, Monika Bütler, Anja Conzett, Gisela Feuz, Ariane von Graffenried, Stefanie Grob, Yael Inokai, Simona Isler, Elisabeth Joris, Nina Kunz, Christine Loriol, Barbara Marti, Iren Meier, Fatima Moumouni, Esther Pauchard, Anja Peter, Ina Praetorius, Sarah Probst, Franziska Rogger Kappeler, Anna Rosenwasser, Laavanja Sinadurai, Lotta Suter, Angelika Waldis, Laura de Weck.
Lasst uns anstossen. Nicht so sehr auf das Jubiläum, aber auf alles, was Frauen zusammen erreichen können – und auf alles, was noch kommt!