Ginster und Wiedehopf

Ruska Jorjoliani in VierzigTageBuch / 23. April 2020
Ginster und Wiedehopf
testo originale in italiano sotto aggiunto
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Vor meinem Fenster blüht der Ginster. Kleine, gelbe Blüten klettern die fächerförmigen Zweige hoch, zwischen den Ästen kann ich das Meer erahnen. Ich versuche meine gewohnte Beziehung zu dieser Pflanze herzustellen, die aus Blicken besteht und daraus, dass ich sie als Symbol dieses Orts, Siziliens, anerkenne. Es gelingt mir nicht. Dafür geht mir ihre volkstümliche Bezeichnung, frusta di Cristo, Geißel Christi, nicht aus dem Kopf.
Irgendwie hat sich die Wahrnehmung der altbekannten Dinge, die gewohnte Verbindung zwischen meinem Blick und den Gegenständen verändert. Der Raum zwischen mir und dem, was mich umgibt, ist plötzlich gleichsam fest und dicht geworden, sodass der Gang von einem Zimmer ins nächste so beschwerlich ist, als würde ich schwimmen oder ein Dickicht durchqueren. Mit einer gewissen Verzweiflung überlege ich, dass man verschiedene Zimmer betreten und dabei das Gefühl haben kann, zweimal dasselbe Zimmer betreten zu haben.
Die Zahl der Toten nimmt nicht ab. Mitten in dieser Pandemie ist mein zweiter Roman erschienen, und jedes Mal, wenn ich an seinen Titel denke, Tre vivi, tre morti (Drei Lebende, drei Tote), den ich vor etwa einem Jahr gewählt habe – aber es kommt mir so vor, als wäre inzwischen ein ganzes Leben vergangen, eine ganze Epoche – fühle ich Beklemmung. Zahlen. Tote. Statistik. Warum ich ausgerechnet diesen Titel gewählt habe? In einer mittelalterlichen Kirche in den Abruzzen hatte ich ein Fresko gesehen: Drei Adlige begegnen auf dem Rückweg von der Jagd drei Skeletten; eines der Skelette, perlweiß und zahnlos, lacht und spottet über die Lebenden, die satt sind und kostbar gekleidet. Ich erinnere mich, dass mich dieses Lachen buchstäblich erzittern ließ und ich fast aus dieser Kirche geflohen war. Warum ich trotzdem diesen Titel wählte, weiß ich nicht.
Obwohl dieses Virus fast zum Anfassen nah ist, wirkt es wie von der Realität abgekoppelt, wie etwas, das aus überirdischer Entfernung kommt, und das Problem ist, dass man mit dieser Wahrnehmung nichts anfangen kann. Du versuchst dich zu überzeugen, dass alles real ist, tragisch real, und bist drauf und dran, mit deinem ganzen Wesen die Realität des Virus zu erfassen, aber keine zehn Minuten später ist es, als würde sich seine Wahrheit von neuem von den gegenwärtigen Dingen lösen und einer ganz anderen Art von Gedanken Platz machen – Hast du den Hund gefüttert? Hast du deine Mutter angerufen? Hast du das Handy-Guthaben aufgeladen? –, und während du vielleicht ein Glas Wasser trinkst oder dir die Socken anziehst, überwältigt dich ein zunehmend stärkeres Unwohlsein – ein Gefühl der Schuld.
Der Klang der Glocken in der Nähe erreicht meine Ohren. Sonst ist nichts zu hören. Gegen Abend trägt der Wind das Geräusch der Wellen heran. Fast jeden Tag kommt ein Wiedehopf in den Garten, trippelt überall herum und sucht Nahrung, aber wenn ich mich nähere, fliegt er sofort davon. Seine Flügel sind weit, weiß und schwarz gestreift. Im Mittelalter glaubte man, dass in den Nestern des Wiedehopfs ein mehrfarbiges Kraut zu finden sei, das denjenigen, der es findet, unsichtbar macht. Nie zuvor habe ich ein solches Bedürfnis gehabt, unsichtbar zu sein, in meine Heimat zurückkehren zu können, nach Georgien.
Ich rufe meine Mutter an, auch sie allein, in der Fremde, stärker isoliert als ich, weil sie aufgrund früherer Krankheiten gefährdeter ist. Ich sage: »Weißt du, Mama, ich habe den Wiedehopf auch heute gesehen.« – »Tatsächlich? Vielleicht hat er sein Nest in der Nähe.« – »Vielleicht.« – »Möglicherweise stimmt ja das vom unsichtbar machenden Kraut, von dem du mir erzählt hast!« – »Wer weiß«, seufze ich und wechsle das Thema: »Hast du gehört, wie viele Tote es heute gibt?«. – »Erzähl noch ein wenig vom Wiedehopf.«

Ruska Jorjoliani, Palermo, Italien
Aus dem Italienischen von Barbara Sauser
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Sta fiorendo una ginestra, davanti alla mia finestra. Ha dei piccoli fiori gialli che si arrampicano sui ramoscelli che si aprono a ventaglio, e negli spazi tra un ramo e l’altro si intravede il mare. Cerco di istaurare il solito rapporto con questa pianta, fatto di sguardi, del mio riconoscerla come il simbolo di questa terra, la Sicilia. Non ci riesco. Penso più che altro al suo nome popolare, “la frusta di Cristo”. 
La percezione delle solite cose, l’abituale corrispondenza tra il mio sguardo e gli oggetti sembra mutata. Lo spazio tra me e ciò che mi circonda sembra diventato così solido e denso che l’andare da una stanza all’altra mi pesa come nuotare o attraversare un fitto sottobosco. Penso tra me e me, quasi con disperazione, che si può entrare nelle stanze diverse e avere la sensazione di essere entrati due volte nella stessa stanza. 
Il numero dei morti non cala. Il mio secondo romanzo è uscito nel bel mezzo di questa pandemia e ogni volta che penso al suo titolo, “Tre vivi, tre morti”, scelto circa un anno fa - sembra passata una vita, un’intera epoca – ho una stretta al cuore. Il conteggio. I morti. La statistica. Perché ho scelto proprio questo titolo? Avevo visto un affresco in una chiesa medievale delle montagne abruzzesi: tre nobili uomini, di ritorno dalla caccia, incontrano tre scheletri; uno degli scheletri, di un bianco perlaceo, senza denti, ride, si fa beffe dei vivi, che sono sazi, vestiti con abiti preziosi. Mi ricordo di avere quasi tremato davanti a quella risata, di essere scappata da quella chiesa. Ma poi perché ho scelto comunque questo titolo, non lo so.     
Nonostante la vicinanza, quasi tattile, di questo virus, sembra comunque che sia staccato dalla realtà, che appartenga a distanze ultraterrene, e il guaio è che non puoi farci nulla con questa percezione: ti convinci che è tutto reale, tragicamente reale, sei lì lì per abbracciare con l’intero tuo essere la sua realtà, ma tempo dieci minuti, più o meno, ed è come se la sua verità si staccasse di nuovo dalle cose presenti e lasciasse il posto a pensieri di tutt’altro genere - hai dato da mangiare al cane? hai telefonato a tua madre? hai fatto la ricarica nel cellulare? – e mentre magari stai bevendo un bicchiere d’acqua o ti stai mettendo le calze vieni sopraffatto da un malessere che cresce sempre di più – il senso di colpa. 
Mi giungono all’orecchio i rintocchi delle campane non lontane. Nessun altro suono. Verso sera il vento porta il rumore delle onde. C’è un’upupa che viene quasi ogni giorno nel giardino, zampetta qua e là in cerca di cibo, ma quando mi avvicino spicca subito il volo. Le sue ali sono ampie, con le strisce bianche e nere. Nel Medioevo si credeva che nel nido dell’upupa si trovasse un’erba di diversi colori che era capace di rendere invisibile la persona che se la portasse con sé. Non ho mai sentito come adesso la necessità di essere invisibile, di poter tornare nella mia terra, la Georgia. Chiamo mia madre, anche lei sola, straniera, più isolata di me perché più vulnerabile a causa delle malattie pregresse. Le dico: “Sai, mamma, ho visto l’upupa anche oggi”. “Davvero? Forse ha il nido lì vicino”. “Forse”. “Quella cosa che mi hai detto, dell’erba che ti rende invisibile, magari fosse vera!”. “Eh, magari” sospiro, poi cambio il discorso: “Hai sentito quanti morti oggi?”. “Parlami ancora dell’upupa” mi chiede.  
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