Bundesrat Alain Berset besichtigt in Luzern ein Testzentrum. Bundesrat Guy Parmelin besucht in Bern eine Arbeitslosenkasse. Bundesrat Ignazio Cassis besucht in Bellinzona eine Alarmzentrale (und bringt zwei Beatmungsgeräte mit, kleines Geschenk).
Die Tage verschwimmen etwas, tatsächlich, man kann die Auftritte unserer Regierung nicht mehr auseinanderhalten. »Unsere Regierung«, sagen die Leute jetzt, »unser Bundesrat«. Erstaunlich (und etwas gruselig), wie rasch das ging. Wie rasch die Menschen sich hinter den Bundesrat geschart haben, wie fern Widerspruch plötzlich ist (verpönt sogar). Wie rasch das Parlament und die Politik außerhalb des Bundesrats unbedeutend wurden. Selbst das Gezeter der SVP verhallt im Nichts.
Also schauen wir Guy Parmelin zu, wie er eine Kiste in einer Berner Arbeitslosenkasse anschaut, und denken: Vielleicht haben wir den Winzer aus dem Waadtland ja die ganze Zeit unterschätzt.
Vielleicht aber auch nicht.
Die Söhne (acht und vier) können jetzt den Gesundheitsminister vom Finanzminister unterscheiden. Sie finden es komisch, dass der eine französisch und der andere schweizerdeutsch redet. Sie erkennen am Radio die Chefin der Armee (okay, das ist nicht so schwierig) und die Bundespräsidentin. Die finden sie am sympathischsten, sie rede so normal. Der Ältere fragt: Hat der Gesundheitsminister jetzt eigentlich zwei Stimmen, wenn man im Bundesrat über Corona abstimmt?
Politik war noch nie so nahe und noch nie so fern. Werden wir uns je wieder so intensiv mit dem beschäftigen, was der Bundesrat jeden Tag macht? Und werden wir je weniger Kontrolle darüber haben? Die Journalisten irgendwo in ihrem Homeoffice, weit weg von Bern, die Fragen begrenzt, der Zugang auch. Ausnahmezustand. Morgen wird ein Bundesrat sicher wieder irgendwo ein Spital besuchen. Alles wird gut.
Philipp Loser, Basel, Schweiz