»Pascale Kramer ist eine Meisterin der Zwischentöne, des beredten Schweigens, der ›non-dits‹. Eine, die die Zeichen der Zeit – und des Zeitgeistes – virtuos dechiffriert.« Bundesrat Alain Berset anlässlich der Verleihung des Schweizer Grand Prix Literatur 2017

176 Seiten, 20.4 × 12.5 cm, Gebunden
ISBN 978-3-85869-759-2, 2. Auflage

Dieser Titel ist auch als E-Book erhältlich

Erschienen am 02.08.2017

Autopsie des Vaters

Roman

Aus dem Französischen von Andrea Spingler
EUR 22,00 Alle Preisangaben inkl. MwSt.

Ania hat ihren Vater jahrelang kaum gesehen. Da erreicht sie eines Tages ein Anruf seiner neuen Frau: Gabriel hat in der Nacht Selbstmord begangen. Der Freitod scheint im Zusammenhang mit dem Skandal zu stehen, den der als linker Intellektueller bekannte Radiojournalist ausgelöst hat, als er öffentlich Partei für zwei junge Einheimische ergriff, die an seinem Wohnort einen afrikanischen Sans-Papiers brutal ermordet haben. Als sich Ania zur Beerdigung in der Pariser Peripherie aufmacht, schlägt ihr in dem tief gespaltenen Dorf eine hasserfüllte Atmosphäre entgegen. Aber auch in ihrem alten Elternhaus stößt sie einzig auf Fremdheit und muss sich die Frage stellen, wie es dazu kommen konnte, dass ihr Vater eine solch unerträgliche Wendung vollzog. Pascale Kramer seziert in Autopsie des Vaters ein Land im Kippzustand. Das Skalpell ansetzend, erzählt sie vom Wegschauen, von der Abschottung einer ganzen Gesellschaftsschicht und wirft gleichzeitig ein schmerzhaft klares Licht auf das Innerste einer Familie, die verpasste Verständigung zwischen Vater und Tochter.

Pascale Kramer, 1961 in Genf geboren, hat eine Anzahl Romane veröffentlicht, für die sie mehrfach ausgezeichnet wurde. Aufgewachsen in Lausanne, verbrachte sie einige Jahre in Zürich und ging 1987 nach Paris, wo sie auch heute lebt und arbeitet. Mit ihrem vierten Roman Die Lebenden (Prix Lipp Suisse), 2000 in Frankreich und 2003 erstmals auf Deutsch in der Übersetzung von Andrea Spingler erschienen, kam der literarische Durchbruch. Für Die unerbittliche Brutalität des Erwachens wurde sie mit dem Schillerpreis, dem Prix Rambert und dem Grand Prix du roman de la SGDL ausgezeichnet. Mit dem Schweizer Grand Prix Literatur 2017 konnte Pascale Kramer erstmals eine Auszeichnung für ihr Gesamtwerk entgegennehmen.

»Es ist die condition humaine, die mich fasziniert – all diese Verletzungen und Dramen, die wir durchwandern, mit all den Ambivalenzen zwischen Eifersucht und Empathie. Ich seziere gern diese unendlich komplizierten Bande zwischen Menschen.«

Pascale Kramer im Gespräch mit Luzia Stettler, 52 beste Bücher SRF 2 Kultur

»Autopsie des Vaters ist ein familiäres Kammerspiel, das weit mehr verhandelt als nur die Abgründe, die sich in einer engen Welt auftun können. Der kurze Roman macht an wenigen Figuren und Konflikten eine Stimmung fest, die ein ganzes Land zu lähmen scheint. […] Pascale Kramer erzählt meisterhaft davon, wie hier eine Welt aus den Fugen geraten ist.«

Martin Zingg, NZZ

»Kramer umkreist eine gesellschaftliche Verunsicherung, den Kipppunkt zwischen Öffnung und Abschottung. Und bezieht erzählerisch subtil und doch klar Haltung: Gesellschaftliche Abschottung ist keine Option.«

Carola Ebeling, taz

»In den Romanen Pascale Kramers geht es immer ums Ganze.«

Gallus Frei-Tomic, Literaturblätter

»Eine grandiose und aktuelle Studie, die in Frankreich selbst – aus Ratlosigkeit oder aus Scham? – seltsam verhalten aufgenommen worden ist. Zu Unrecht.«

Hans Ulrich Probst, WOZ

»Ich blicke auf die Ränder unserer Gesellschaft – und das mit Zärtlichkeit. [...] Ich kenne die verregneten, verratzten Dörfer Frankreichs, wo es keine Arbeit gibt, aber viel Alkoholismus. Ich kenne Obdachlosenheime, helfe in Flüchtlingszentren. Die jungen Männer im Roman, die das Haus der Künstlernachbarn anzünden, sind nicht böse, sondern frustriert. Sie hatten kaum je eine Chance.«

Pascale Kramer im Gespräch mit Alexandra Kedves, Tages-Anzeiger

»Pascale Kramer beweist ein gekonntes Fingerspitzengefühl. Sie schafft den bemerkenswerten Spagat zwischen gesellschaftlichen Tabu-Themen, wie Rassismus und Gewalt, und privaten, familiären Problemen. Und so ist Autopsie des Vaters nicht zuletzt auch ein Stück weit eine Autopsie unserer Gegenwart.«

Lisa Ruland, literaturkritik.de