Biberegg bis Biberbrugg, ca. 4 Std. (3 Std. ab Rothenthurm)
LK 1:25 000, Blatt 1132 Einsiedeln
Biberegg, Halt auf Verlangen. Eine Überführung quert die Bahngeleise, das Sträßchen führt zum Weiler Redingburg, einem Bijou, zwar ohne Burg, aber mit Kapelle (und im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder). Tauchen wir kurz ab in die Historie, denn hier ist der Familiensitz der Reding von Biberegg. Einer höchst einflussreichen, weitverzweigten und mit einem »von« geadelten Schwyzer Sippe von Militärunternehmern und Politikern in der alten Eidgenossenschaft. Die vielleicht nicht grad am Morgarten dabei war, als die Bergguerilla aus den Urkantonen 1315 die habsburgischen Truppen in die Sümpfe am Ägerisee trieb (oder so ähnlich). Immerhin, 1309 bis 1311 war ein Reding Anführer im Marchenstreit, einer endlosen Streiterei der Schwyzer mit dem Kloster Einsiedeln um Land und Weiderechte, die 1323 zum Bau der Letzimauer und des roten Turms von Rothenthurm führte.1350 kam es zu einer gütlichen Einigung. Seither gehört die Allmend Altmatt den Schwyzern.
Dann blieb es lange ziemlich ruhig im Hochtal der Biber. Bis 1798, als die Truppen Napoleons in die alte Eidgenossenschaft einmarschierten. Und ein Reding für Ruhm und Ehre sorgte, Aloys Reding von Biberegg, Landeshauptmann und Oberbefehlshaber der Innerschweizer Truppen in der Schlacht bei Rothenthurm. Das Motto war markig: »Wir fliehen nicht, wir sterben.« Gestorben wurde reichlich, und der Sieg der Innerschweizer war ein vergeblicher; er hatte auf den Lauf der Dinge wenig Einfluss. Reding von Biberegg blieb durch die turbulenten Zeiten der Helvetik und Restauration ein konsequenter Verfechter der alten Ordnung, was ihm ein paar Monate Karzer in Aarburg eintrug und 1818, kurz vor seinem Tod, die Beförderung zum Grafen durch Louis XVIII.
Mir gefällt die Geschichte vom Horn- und Klauenstreit von 1838, als Handwerker und Kleinbauern an der Landsgemeinde beim Schäfli in Rothenthurm mehr Rechte verlangten, was zu einer deftigen Schlägerei unter den 10 000 Mannen und zur Auflösung der Versammlung führte. Zur vorläufig letzten Schlacht bei Rothenthurm kommen wir noch.
Item. Biberegg ist eine Wasserscheide und ein Passübergang zwischen Rothenthurm und Sattel. Eine Holzbrücke über die Steiner Aa, die westwärts in ein Tobel abtaucht, lassen wir rechts liegen. Und wandern leicht aufwärts an der Beaver Creek Ranch vorbei zum Teehüsli. Hier schwenken wir in einen lauschigen Spazierweg, der einen Bach entlang gen Rothenthurm führt. Wo alles, was aus den Hängen geflossen kommt, offiziell zur Biber wird.
Hier werden wir von den gelben Wegweisern zur dominanten Kirche und zum Bahnhof dirigiert. Mein Tipp: Durch die Unterführung zum nördlichen Ausgang gehen. Dort steht ein bescheidener Rest der Letzimauer, flankiert von einer Tafel mit Informationen dazu.
Ein Fußweg führt hinunter ins Unterdorf. Nichts deutet mehr auf die feuchte Senke hin, in der man im Winter die Eisweiher aufstaute. War das Eis dick genug, wurden Blöcke herausgesägt und ins Unterland verschickt. Das »Iische« brachte in den guten Zeiten nach 1900 Arbeit und Nebenverdienst für bis zu hundert Mann. Rothenthurm hatte mit der Eisenbahn einen Standortvorteil im Eisgeschäft. Die Wege waren kurz, und die Bahn sorgte für einen schnellen Transport. 1960 war dann Schluss; Kühlschränke und Kühlhallen hatten längst übernommen.
Eine träge Biber plätschert in die grünen Wiesen hinaus und verschwindet fürs Erste unter dem Boden. An einem Pferdehof (Reitpädagogik), einem Schützenhaus, einem Pfadiheim, der Abwasserreinigungsanlage und dem Vereinslokal der Schäferhundezüchter vorbei führt das Sträßchen zur Möslibrugg. Hier rekelt sich die Biber zurecht, wie eine Schlange in der Sonne, und zieht in unzähligen Knäueln und Windungen davon, durch die größte Moorfläche der Schweiz, das Naturschutzgebiet Moorlandschaft Rothenthurm, Die weite Hochebene ist im Herbst bunt wie ein Flickenteppich. Sattgrün die Wiesen, auf denen auch im November noch Kühe weiden, falbbraun und rostrot die gemähten Riedmatten, goldbraun die geschützten Moorinseln. Dunkle Tannen stehen in kleinen Gruppen beisammen, als ob sie nicht sicher wären, ob sie hierhergehören.
Und wir kommen zur letzten Schlacht zu Rothenthurm. Nachdem auch das Turbe, das Torfstechen, nichts mehr einbrachte, lag die weite Ebene so ziemlich brach. Das Interesse des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) empfand man in der Region geradezu als Geschenk. Die Planung für einen Waffenplatz war schon weit fortgeschritten, als 1987, dank der »Rothenthurm-Initiative«, Moorlandschaften von »besonderer Schönheit und von nationaler Bedeutung« unter Schutz gestellt wurden, nach erbitterten Gefechten, zeitgemäß unblutig immerhin, ausgetragen auf viel Papier, mit viel Lärm und rauchenden Köpfen. Nun, da sich der Rauch verzogen hat, zeigt sich: Mit einem neuen Verfassungsartikel ist es nicht getan. Noch immer gelten die Moore als besonders bedrohte Lebensräume.
Bei der Bubrugg stoßen wir auf den offiziellen Moorpfad, der von der inneren Altmatt her kommt. Dies für jene, die beim Bahnhof und dem roten Turm auf der Straße weitergehen (an eben jenem Schäfli vorbei), bis die Wegweiser die Abzweigung in die Moorebene anzeigen (ca. 5 Min.). Schautafeln erklären, was ein Hochmoor oder ein Flachmoor ist und was heute Moorschutz bedeutet. (Der Flyer dazu: »Schutzgebiet Moorlandschaft Rothenthurm«, Kantöne Zug und Schwyz)
Bei Bibersteg stoßen wir wieder auf die Biber. Sie streckt sich, wechselt von moorigem Braun zu Wasserhell und verschwindet in ein waldiges Tobel. Eine Bank kommt gerade recht für einen Blick zurück in die Hochebene zwischen waldigen Hügelketten. Im Westen verblauen die beiden Mythen in einer Kette von Spitzen und Spitzchen.
Den Waldrand entlang steigen wir auf eine lang gezogene Kuppe an. Dem gelben Wegweiser folgend, biegt man bei Wolfschachen scharf links ab, hinunter ins Bachtobel. Jetzt im Spätherbst lockt eher der weite sonnige Hang (Schlänggli), der sich gen Schwyzerbrugg hinunterzieht. Rosa Pfosten für die Finnenloipe sind bereits gesteckt. An diesem sommerwarmen Tag wirken sie doch ziemlich verloren, aber auch ein bisschen trotzig – Schnee her, Herrgottnochmal! Abrupt endet unser Weg an der Hauptstraße. Kurz trotten wir ihr entlang, bis linker Hand ein Feldweg wegzieht. An ein paar einsamen Pflanzplätzen vorbei wechseln wir hinüber in die Cholleren ins Bachtobel der Biber. Eine sanfte, grüne Landschaft, kleine Hügel und Senken, weich gezeichnet im Abendlicht. Herbstliche Feuchte liegt in der Luft. Hier stoßen wir auch wieder auf die gelbe Markierung, die uns auf einen schmaleren Fußweg hinunter an die Biber weist. Ein letztes Mal überqueren wir den Bach, folgen den gelben Markierungen über eine Straße, den Wald hoch und hinaus in die Witi. Hügel und Hügelchen vor Augen, lassen wir uns den offenen Hang hinuntertreiben, zum Landgasthof Post, der nicht zu übersehen ist.
Der Rest ist rasch erzählt. Mit einem Katzensprung sind wir unten beim Bahnhof Biberbrugg, der Verkehrsspinne, wo man sich, außer vielleicht am Selecta-Getränkeautomaten, an nichts delektieren kann.
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