Steine sprechen lassen

Ursula Bauer in Zu Fuß / 10. June 2024
Wem das etwas »spanisch« vorkommt, darf beruhigt zurücklehnen. Ivo Marchisio, im Valle Maira geboren und aufgewachsen, spricht okzitanisch, eine Sprache, die noch heute in den Alpentälern des Piemont gesprochen wird. Er erzählt von seiner Arbeit als Muratore, seiner Liebe zum Stein und zum alten Handwerk und davon, dass sich bewegen muss, was bleiben soll. 

Das Mistral im Valle Maira und der Rotpunktverlag in Zürich haben zusammengespannt und mit einer Gruppe aus der Schweiz und Fachleuten vor Ort ein Stück alten Saumwegs restauriert. Die Locanda Mistral feiert 25 Jahre Mistral und im Rotpunktverlag ist vor 25 Jahren die erste Auflage von »Antipasti und alte Wege« erschienen. Die Percorsi occitani, das Wanderparadies Valle Maira hat bis heute, die 10. Auflage zeigt es, nichts von seiner Faszination verloren. 
 
Ein altes Wegstück, das wie so viele seiner Art, langsam im Baumschatten zerfällt, wurde für eine Woche unser Arbeitsplatz. Wir stolperten über Sägen und Pickel, Schaufeln und Rechen, Baumscheren und Kübel. Doch Ivo, zusammen mit Renato Botte vom Mistral, dirigierte die Truppe von Büromenschen aus Zürich wie ein Dirigent sein Orchester. Ob Geigerin oder Posaunist, ob gross oder klein: Alle fanden ihren Platz.

Jeder findet seinen Platz
 
Ivo und Renato besprechen die Lage

Es bröckelt

 
Der Saumweg wird leergeräumt


Die Äste werden zu Hangstützen geflochten
 
Grosse Klappe - oder was?
 
Die ersten Steine werden neu gesetzt

 
...und begutachtet, es passt


Fachleute unter sich


Es wird geschaufelt und gepickel
   
Zupacken macht Spass


Rauchpause


Kommunikatives Steineklauben

     
Arbeitsschluss heisst nicht für alle Schluss von Arbeit


Das Ergebnis macht uns alle stolz - und man möchte wieder kommen und in Ivos Orchester weiterspielen.
 
Wenn Stein auf Stein zu Kunst wird. Ein Ausflug zu La Barca 

Das Cover der aktuellen, 10. Auflage von »Antipasti und alte Wege« ziert ein Boot, das ganz oben im Valle Maira, in den weiten Alpweiden unter dem Colle Maurin angelandet ist, da, wo sich die alten Passübergänge nach Frankreich verzweigen; für viele der Weg in die Emigration. »Wider die Vergeblichkeit – ein Denkmal für alle Menschen auf der Flucht« nennt der Landart-Künstler Christoph Schröder seine Installation. Ein Echo zu einer sehr alten und sehr gegenwärtigen Geschichte, der Suche nach einem besseren Leben, und der Hoffnung, es sei jenseits der Berge oder jenseits der Meere zu finden.
 
Auf dem Weg zur Barca


Christoph mit seinem vom Schnee etwas zerzaustem Boot, la Barca.

 

 
Und es wird gefeiert. Mit Antipasti aus Manuelas Küche und mit Quba Libre.
  

 
... im Garten der Locanda Mistral
 
Von den Aperohäppchen…

… bis zur okzitanischen Nationalhymne. (Googeln: Chanto che chante)

 
Mit dieser Aktion ist für viele von uns ein Fenster aufgegangen. Wir schauen mit anderen Augen auf Mauern und Säulen der alten Häuser, spüren auf den Saumwegen den alten Pflästerungen unter den Füssen nach. Und ich gehe jede Wette ein, dass alle wieder kommen werden, denn dem widerborstigen Charme und der wilden Schönheit des Tales erliegt jede und jeder. Ich weiss, wovon ich rede



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So ein schöner Bericht, lebendig, lehrreich, anmächelig. Es ist ja auch ein unglaubliches Projekt, das auch nach 25 Jahren noch "verhebt" - dank viel Arbeit, mit viel Genuss, steinig und luftig, von der Basis getragen und gut durch- und überdacht.


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