Einsiedeln (Bus 556) – Weglosen, Hoch Ybrig Gondelbahn – Seeblisee – Fuederegg - Roggenhütte – Roggenstock – Roggenegg – Tubenmoos – (Adlerhorst) – Oberiberg Neuseewen. 2.30 bis 3 Std.
LK 1132 25000 Ibergeregg
Mein Wanderfaden ist nicht rot, er ist blau – Rinnsale, Bäche, Flüsse, sind die Landmarken. Jetzt, im Sommer, darf unterwegs auch mal ein Gipfel im Wege stehen.
Ein Julisonntag, heiß. Im Postauto nach Weglosen sitzen bloß ein paar graue Häupter. Dafür ist das Parkfeld bei der Seilbahn voll; Kinder fahren gratis und die Sommerferien haben begonnen. In der Gondelbahn geht es zu und her wie in einer Kita vor dem Spaziergang.
Oben streben die einen im Berglerschritt zur Sternen-Sesselbahn hinüber, die andern eher einem Bänkli am Seeblisee entgegen. Der liegt wie ein himmelblaues Auge in einer bewaldeten Mulde und ist zusammen mit der Fuederegg eine Moorlandschaft von nationaler Bedeutung. Eine Idylle für beschauliches Spazieren. Außerdem ist er ein besonders aparter Fischteich für einen Fisch mit Copyright. »Der BachtellachS®, ein in der Schweiz seit 2004 gezüchteter echter Lachs (Pazifikgenetik), fühlt sich im Seeblisee zu Hause und gedeiht planmässig«, kann man auf der Ybrig-Website lesen. Und: »Der Fisch darf schweizweit ausschliesslich im Seeblisee gehalten werden.« Ein Eldorado für Fliegenfischer; sie können sich die Reise nach Kanada sparen.
Bei einer Föhre (plus Gartenzwergen) verlassen wir den Seerundweg (und eine Handvoll Fliegenfischer) und gehen hoch zur Fuederegg. Ein Nichtort. Aber, er toppt den Seeblisee mit der längsten Seilrutsche Europas, dem Sternensauser. An zwei Reihen Apartment-Ferienwohnungen, weitere sind in Bau, vorbei geht’s bald rechterhand zur Roggenhütte. Das Sträßchen zieht weiter hinüber zur Roggenegg, deren rote Sonnenschirme schon von Weitem signalisieren: Beiz.
Noch nicht. Ein schöner Bergweg führt unter dem Fahrenstöckli auf die Alp Ober Roggen. Steinblöcke und verzuselte Tannen im saftigen Grün, Herdengeläut – Alpenromantik wie aus dem Bilderbuch. Die etwas lottrige Alphütte sitzt auf einer schön geschwungenen Endmoräne aus der letzten Eiszeit. Der Weg zieht in einer Schlaufe auf die Krete, die zum Roggenstock hochführt – und zu einer Aussicht zum Niederknien. Ein Ausguck, der mehr ist als ein Hügel mit Aussicht. Denn geologisch betrachtet ist der Roggenstock alles andere als einfach. Er biete, ist zu lesen, »auf kleinstem Raum den wohl vielfältigsten Einblick in das Werden unserer Alpen«. Das toppt die Lachse mit Copyright und den Sternensauser mit links.
Der geologische Wanderweg erklärt mit zehn Infotafeln das Geschehen um den Roggenstock. »Die Anforderungen an die Wanderer sind hoch, und oft bereitet die komplizierte Materie jungen Wanderern und Familien Mühe, in so kurzer Zeit alles zu verstehen«, heißt es in der Begleitbroschüre dazu. »Mit dem vorliegenden Büchlein versuchen wir auf sehr einfache Art, das Interesse und Verständnis der jungen Menschen, Familien und Schulen für die Geologie zu fördern.« Die Jahrmillionen, mit denen in der Geologie jongliert wird, sind auch für unsereinen, der Resthaufen der Bevölkerung, schwer zu fassen.
Mit etwas Fantasie ist der Roggenstock wie eine Gischt auf den von Süden anrollenden Wogen weißer Zacken und grauer Spitzen. Hier brechen sie und laufen gegen Norden in Hügeln aus, verblauen im Dunst. Man kann sich verlieren darin, oder auch mit einem gewagten Dreh weit zurück, mit den Dinos im Tethysmeer herumplanschen. Auf der Zeitachse von Jahrmillionen sind wir sowieso nicht mehr als eine gefräßige Ameisenplage, ein Intermezzo von ein paar zehntausend Jährchen.
Noch rechnen wir mit Stunden und Tagen. Die Direttissima runter auf die Roggenegg ist etwas für die ganz Pressierten. Für die andern geht’s auf dem Wanderweg zurück nach Ober Roggen und auf dem Alpweg direkt aufs Sträßchen. Von da sind’s noch 10 Minuten auf die Roggenegg, beziehungsweise unter die roten Sonnenschirme. Der Himmel ist immer noch enzianblau, kein Wölkchen, die Aussicht – das hatten wir schon.
Ein sehr schöner Plattenweg zieht hinunter ins Tubenmoos. So möchte man lange weitergehen. Bei der stattlichen Alp zweigen wir links ab, zum Adlerhorst, der uns bereits mehrfach angezeigt worden ist. Ein paar harte Höhenmeter sind zu nehmen bis zur Hütte. Das Bärgbeizliist klein, aber ein Hort der Erinnerungen für viele. Seit Januar 2023 wirtet ein junges deutsches Paar hier oben, die Begeisterung ist groß, der Schoggikuchen eine Kalorienbombe, soviel lässt sich sagen. Alles weitere auf der Adlerhorst-Webseite.
Der Tubenmmoosbach? Die Wegspur dem Bach entlang (wie auf der Karte gestrichelt eingezeichnet) haben wir im dichten Grünzeug nicht gefunden, Stacheldraht hat die Entdeckerlust auch nicht grad gefördert. Ein andermal. Wir folgen also brav den gelben Markierungen und wandern auf der Betonpiste der Alp abwärts. Unterwegs sieht man weit unten im engen Talausgang Unteriberg, winzig wie aus einer Spielzeugkiste. Nach einer ausladenden Kurve weist eine verblichene Weiß-rot-Markierung auf der Straße in einen wieder mit Steinplatten schön ausgelegten Hangweg. Vorbei an einer sehr neugierigen Schar Hochlandrinder. Ihre toll ausladenden Hörner imponierten mehr als nötig, sagen wir uns später, als wir den frechen Jungstier (und vor allem seine Hörner) endlich los sind. Kurz tauchen wir in ein lauschiges Bachtobel ein. Leider ist’s nicht der Tubenmoosbach, der ist ostwärts im Schattenwald-Tobel verschwunden und endet 300 Meter tiefer in der Waag, die das Waagtal durchfließt und bei Unteriberg in die Minster einmündet. Die wiederum bald schon im Sihlsee endet. (Womit dem blauen Faden für heute genüge getan wäre.)
Ab Schwändi ist wieder Straße angesagt. Der Geruch von Heu liegt in der Luft. Ein, zwei Riesenschilter donnern vorbei. Aber Brunnen, Beiz und Kirche von Oberiberg sind nah. Weit oben überm Wald flattert die Fahne vom Adlerhorst.
«Geologischer Wanderweg am Roggenstock», Broschüre, 2007 – erhältlich im Verkehrsbüro Oberiberg und in einigen Bergrestaurants der Region.
Wer ein bisschen mehr wissen möchte:
Rudolf Trümpy, «Geologie der Iberger Klippen und ihrer Flysch-Unterlage», 2006
Ders., «Die Plattentektonik und die Entstehung der Alpen», Neujahrsblatt, hg. von der Naturforschenden Gesellschaft, Zürich 1985
Beide Beiträge kann man als Pdf herunterladen.
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