»Der Augenblick, in dem man eine Blume zum ersten Mal sieht, ist wie der erste Blick der Liebe.«
Mit Alpenblumenverzeichnis und Illustrationen von Pia Roshardt
Kleine Prosa
Seit Kindheitstagen war Corinna Bille, die zeitweise in Chandolin hoch oben in den Walliser Bergen aufwuchs, eine Liebhaberin der Blumen. Alpenblumen, »die erst dann keimen, wenn sie das Eis erlebt haben«, in der Höhe aber in starken Farben erstrahlen, faszinierten sie besonders. In ihrer Alpenblumenlese erinnert sie sich, wie sie auf zahlreichen Streifzügen die Blumen entdeckte: die allererste Soldanelle unter dem Schnee, Tuffs von Zwergglockenblumen an Felsvorsprüngen, Alpenanemonen, Nelken, Disteln in der dichten, rauen duftenden Wiese. »Zum Vergnügen zogen wir unsere Schuhe aus, und ihre Blütenblätter streichelten unsere Knöchel.«
Erzählend hält Bille die vielen Sorten, ihre oftmals verblüffenden Eigenarten und die um sie rankenden Geschichten fest. Wolfstöter, Bärenohr, Paradieslilie lassen träumen, die schmeichelnd duftende Türkenbundlilie schüchtert ein, und der »Blume der Melancholie«, der großen Alpenakelei, begegnet man mit heiligem Respekt.
Einer Freundin zum Dank für die vielen mitgebrachten Blumensträuße hat Corinna Bille hier eine ganz eigene Blütenlese zusammengestellt, ein Blumenalbum, das uns in eine blühende, duftende Bergwelt, ein vergessenes Eden entführt.
S. Corinna Bille (1912–1979), Tochter eines Malers und einer Bergbäuerin, beschließt mit fünfzehn, Schriftstellerin zu werden. Nach Schuljahren in einem Internat in der Zentralschweiz, »Lehrjahren« in Paris und Zürich führt sie ein Nomadenleben in Walliser Weilern, gemeinsam mit anderen Künstlern. Darunter Maurice Chappaz, den sie 1947 heiratet. Veröffentlichung von Prosa und Lyrik. 1975 wird sie für ihre Erzählungen mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Die Natur in Verbindung mit der sinnlichen Körperlichkeit der Liebe zählt zu ihren Hauptmotiven.